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Interview

Anka

Brüggemann


Bücher – nicht zum Lesen


Das ist Anka Brüggemann. | Bildquelle: Haupt Verlag; www.haupt.ch


"Die Bastelei war nicht einfach ein Zeitvertreib, ein Steckenpferd oder anderes, es war das Gefühl, dass ich zu etwas wesentlichen in der Erschaffung vorstieß. Basteln heißt ein Problem lösen. Es heißt, Elemente zur Verfügung haben, die das Ergebnis des Zufalls sind und die in keinerlei Beziehung zu dem zu lösenden Problem stehen. Und außerdem ist es eine Denkanstrengung: Wie werde ich mich mit diesen Elementen, die von anderswoher stammen, aus der Affäre ziehen, um das besondere Problem zu lösen, das mir jetzt gestellt ist. Und das erscheint mir für das menschliche Denken wesentlich zu sein."

(Claude Lévi-Strauss in Le Figaro v. 27.07.1993)


Wer Basteln lediglich für eine Beschäftigung für Kinder oder geistlosen Zeitvertreib halten sollte, dem mag das obige Zitat von Claude Lévi-Strauss die Augen öffnen. Und wer die Papierobjekte von Anka Brüggemann (Papier-Objekte aus alten Büchern und Papier Minis) - oder auch Clare Youngs (Alte Bücher neu in Form) - in ihren Büchern betrachtet, der wird sehen, dass hier Kunst geschaffen wurde und dass diesen Objekten ein geistig wie körperlich anspruchsvoller Schaffensprozess vorangegangen ist. Was die beiden Papierkünstlerinnen eint, ist die Basis ihrer Arbeit, es sind alte Bücher.


*


Anka Brüggemann betreibt einen Werkstattladen im Kunsthof in Quedlinburg. Dort kann man die Kunstwerke im Original sehen, erwerben und die Künstlerin treffen. Mich interessierte, wie sie auf die Idee kam aus Büchern (neue) Kunstwerke zu schaffen...



Buchkunst von Anka Brüggemann | Foto (C) Zaubi M. Saubert



Anka Brüggemann: 2005 hatten wir gerade Die Buch Bar in Quedlinburg gegründet. Das Sortiment bestand aus Accessoires für anonyme Bookoholiker, also Nützlichem oder Witzigem rund um die Bücher und das Lesen. Da passte natürlich nur eine buchaffine Ladendeko.


Gibt es eine „Buchkunstszene“, die sich gegenseitig inspiriert oder stammen die Ideen ausschließlich von Ihnen? Gibt es andere Papierkünstler, die Sie beeinflussen?

A.B.:
Wahrscheinlich gibt es sowas wie eine Buchkunstszene. Und natürlich gibt es immer sowas wie Trends. Vor Jahren war das z.B. das Falten von Schriftzügen zwischen zwei Buchdeckeln, wie ich sie 2015 in meinem ersten Anleitungs-Buch vorgestellt habe. Aber Inspirationen finde ich meist unabhängig von einer Buchkunstszene. In der Natur oder auch im Alltag begegnen mir täglich Gegenstände, die mich inspirieren. Soviel kann ich gar nicht umsetzen. Außerdem greife ich sehr gern auf die Bastelerinnerungen aus meiner Kindheit zurück und schaue, wie ich da was weiterentwickeln kann. Und dann entstehen aus "verunglückten" Objekten oft auch neue Ideen. Wenn ein Objekt nicht so gelingt, wie ich mir das vorgestellt habe, werfe ich es nicht gleich weg. Meist fällt mir irgendwann ein, wie ich mit ein paar Abwandlungen was Schönes daraus machen kann.


Was sind Ihre nächsten Projekte?

A.B.:
Um wieder Zeit für neue Projekte zu haben, habe ich diesen Sommer Die Buch Bar mit allem Drum und Dran abgegeben. Sie wird jetzt von den Inhabern des Bücherhotels in Groß Breesen (Mecklenburg) weitergeführt. Im Moment bin ich noch sehr mit der ganzen Abwicklung beschäftigt. Im nächsten Jahr möchte ich meine Workshops neu konzipieren und mit einem dritten Buch beginnen.


Sie betreiben einen Werkstattladen in der Quedlinburger Altstadt. Daneben befinden sich ein Bücherflohmarkt und eine Bücher(tausch)zelle. Gehört dies zu Ihren Aktivitäten?

A.B.:
Die Bücher(tausch)zelle habe ich 2010 zum fünften Jahrestag von Die Buch Bar eingerichtet. Wer ein Buch hineinstellt, kann sich ein anderes Buch mitnehmen. Es wurden mehr Bücher gebracht als mitgenommen. Ich räumte im Lager eine Ecke frei und stapelte dort die Kisten mit den Büchern. Im April 2011 waren es schon über 3.000 Bücher, und ich veranstaltete mit Hilfe meiner Familie einen ersten großen Flohmarkt zugunsten einer Stiftung der Mitteldeutschen Zeitung. Ein ausführlicher Zeitungsbericht führte dazu, dass ich immer mehr Bücherspenden bekam. Ich war sozusagen die Anlaufstelle für alle, die es nicht übers Herz bringen ein Buch wegzuwerfen. Und es gibt seit dem regelmäßige Bücherflohmärkte: Die Erlöse werden immer gemeinnützigen Projekten zur Verfügung gestellt.


Beschreiben Sie doch einmal Ihr Verhältnis zu Büchern.

A.B:
Ein Leben ohne Bücher ist für mich unvorstellbar. Als Kind - ich bin in einem kleinen Dorf aufgewachsen - haben mich Bücher in die große weite Welt entführt. Es gab Zeiten, da habe ich alles verschlungen, was gedruckt war; zeitweise jeden Tag ein Buch. Und auch heute lese ich eigentlich jeden Tag. In der Regel gedruckte Bücher, denn so bin ich konditioniert. Auch wenn ich die Vorteile klar erkenne, kann ich mich persönlich mit dem E-Book nur schwer anfreunden.


Ist es nicht irgendwo auch „Buchfrevel“, Bücher für andere künstlerische Zwecke zu entfremden?

A.B.:
Vor 20 Jahren wäre es auch für mich noch undenkbar gewesen ein Buch zu zerstören, weil ich die Buchseiten verarbeiten will. Und auch 2005 holte ich mir überschüssige Druckbögen und Fehldrucke, um sie zu verarbeiten. Aber durch die Bücherspenden für unseren Bücherflohmarkt habe ich gelernt, dass es für viele Bücher keine Interessenten mehr gibt. Die alte Schrift können die meisten nicht mehr lesen - und wenn dann noch der Einband beschädigt ist, will es keiner mehr haben. Diese Bücher sind für Papier-Objekte aber perfekt.


Sind es ausschließlich Bücher, die sie verwenden?

A.B.:
Ja, ich arbeite bisher ausschließlich mit Büchern. Sie sind in Bezug auf die verwendeten Papiere, die Formate, die Typografie und die Illustrationen so vielfältig, dass ich immer finde, was ich gerade brauche.


Wie kam es zu Ihren eigenen Buchprojekten?

A.B.:
Durch einen Kontakt zum in der Schweiz ansässigen Haupt Verlag wurde ich um ein Konzept für ein Buch gebeten. Im Laden bekomme ich ja immer viel Feedback zu meinen Objekten und kann so immer ein gutes Gefühl dafür entwickeln, was andere besonders interessiert.


Kann jeder Ihre Anleitungen ausführen?

A.B.:
Ja. Im Grunde ist alles eine Frage der Übung. Wer mit den einfachen Objekten beginnt und ein wenig Geduld mitbringt, kommt bald auch schon mit den anspruchsvolleren Objekten zurecht.


Gibt es ein Leitmotiv in Ihrem Leben?

A.B.:
Es gibt so viele verschiedene Leitmotive in meinem Leben. Eines ist ein Satz von Henry Ford: "Wer immer tut, was er schon kann, bleibt immer das, was er schon ist."




Buchkunst von Anka Brüggemann | Foto (C) Zaubi M. Saubert


Interviewerin: Ellen Norten - 2. November 2017
ID 10345
Weitere Infos siehe auch: http://www.bookogami.de


Post an Dr. Ellen Norten

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